Bezirksverordnetenversammlung
Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin | |
|
|
|
Standpunkt der Fraktionen B´90/Grüne, SPD, DIE LINKE. und FDP in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg zum Bürgerbegehren "Spreeufer für Alle"
___________________________________________________________________________
Die Fraktionen in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg begrüßen und respektieren das Bürgerbegehren "Spreeufer für Alle" als Ausdruck der Wahrnehmung der Interessen von Bürgerinnen und Bürgern unseres Bezirks auf der Grundlage der Bestimmungen der Verfassung von Berlin und des Bezirksverwaltungsgesetzes.
Wir würdigen das von den Initiatoren des Bürgerbegehrens entwickelte Interesse an der Gestaltung der Stadtentwicklungspolitik in unserem Bezirk und am Spreeraum zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke.
Die auf diesem Gebiet seit über 15 Jahren vollzogenen Prozesse hat die Bezirksverordnetenversammlung unter Beteiligung der Öffentlichkeit begleitet und auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen die erforderlichen Entscheidungen getroffen.
Insbesondere die Erstellung der grundsätzlichen Planungen zur Gebietsentwicklung wurde in zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen und Sitzungen der Fachausschüsse der BVV unter Teilnahme interessierter Bürgerinnen und Bürger durchgeführt.
Dazu zählen der Flächennutzungsplan (FNP), der Landschaftsentwicklungsplan (LEP), die Bereichsentwicklungsplanung (BEP) verschiedene Rahmenpläne und alle Bebauungspläne den Spreeraum Friedrichshain-Kreuzberg betreffend.
Festzustellen ist, dass für den Ortsteil Friedrichshain auf der Grundlage des "Rahmenplans Hautbahnhof" (jetzt wieder Ostbahnhof) seit 1995 mit der Durchführung von Bebauungsplanverfahren eine städtebaulich Neuordnung des genannten Raumes planungsrechtlich vorbereitet und gesichert wurde. Den unmittelbaren Spreeraum betreffend, wurden unter Mitwirkung der Öffentlichkeit, des Bezirks und der BVV "Leitlinien und Konzepte" erarbeitet und beschlossen sowie der Öffentlichkeit im November 2001 zur Verfügung gestellt. Sie bildeten die Grundlage für die insgesamt aufgestellten 12 BPläne, von denen 8 rechtskräftig festgesetzt sind und 4 sich noch im Verfahren befinden.
Die Flächen an der Spree in Kreuzberg sind überwiegend gemäß Baunutzungsplan von 1958 überplant und zusätzlich mit 5 B-Plänen, von denen 4 festgesetzt sind, untersetzt. Mit dem Programm "Stadtumbau West Spreeufer Kreuzberg" sind konkrete Maßnahmen zur Urbanisierung des Gebiets festgelegt, von denen bereits einige durchgeführt wurden. Auch hier wurden die geplanten Maßnahmen rechtzeitig mit der Öffentlichkeit beraten.
Die Fraktionen vertreten die Auffassung, dass die Infragestellung der genannten Planungen die Mitwirkung von vielen Bürgerinnen und Bürgern sowie verschiedener Interessenvertretungen daran nicht berücksichtigt. Nachdrücklich stellen sie fest, dass die Bürgerbeteiligung an der Stadtplanung im Bezirk zumeist weit über das im BauGB geforderte Maß hinausging und durch die BVV erhebliche Finanzmittel dafür geplant und eingesetzt wurden. Die dafür erforderlichen Maßnahmen sind mit eindeutigen Beschlüssen der BVV untersetzt und finden bei den Trägern der Bürgerbeteiligung Anerkennung.
Zu den einzelnen Forderungen des Bürgerbegehrens nehmen wir wie folgt Stellung:
1. Neubauten sollen nicht näher als 50 Meter an die Spreeseite im Bezirk
Friedrichshain-Kreuzberg heranreichen (von Michael- bis Elsenbrücke
einschließlich Lohmühleninsel)
Diese Forderung lehnen die Fraktionen aus zwei Gründen ab:
Zum einen, weil schon in den bisherigen Planungen durchgesetzt wurde, dass das Spreeufer und die Parks für alle nutzbar sein werden.
Zum anderen, weil die Änderung von B-Plänen bzw. die Rückgängigmachung von Baugenehmigungen für den Bezirk nicht tragbare Entschädigungen und Schadensersatzforderungen der Eigentümer auslösen würden.
Das schließt jedoch nicht aus, mit den Eigentümern darüber zu verhandeln, ob sie bereit sind trotz festgesetzter B-Pläne und erteilter Baugenehmigungen ihre Baukonzepte zugunsten weiterer Freiflächen am Spreeufer und zur möglichen Reduzierung von Bauhöhen zu verändern.
Grundsatz aller bisherigen Planungen für den Spreeraum war stets, die Spree für alle Bürgerinnen und Bürger wieder erlebbar zu machen und dazu die Begehbarkeit des Spreeufers zu sichern und an einigen Stellen größere Grünflächen zu schaffen. Dazu wurde mit unterschiedlichen Planungsinstrumenten die Errichtung einer Uferpromenade bzw. von wasserseitigen Steganlagen als durchgängige Durchwegung gesichert.
Mit dem Stadtpark gegenüber dem Postareal und dem East Side Park gegenüber dem Anschutzgelände entstehen gegenwärtig 36.000m² gestaltete Parkflächen. Auch hier wurden die Planungen rechtzeitig unter Einbeziehung der Öffentlichkeit vorbereitet.
Der Flächenbedarf und die Finanzierung des Uferwegs und der genannten Parkanlagen konnte nur durch intensive Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern und Investoren im Rahmen der B-Planverfahren erreicht werden.
Bereits mit dem Rahmenplan Hauptbahnhof (jetzt Ostbahnhof) wurde der Uferbereich der Spree zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke als öffentlicher Raum deklariert und die Uferprommenade als wichtige Planungsvorgabe erklärt. Dadurch wurde der bezirkliche Grundsatz "Spreeufer für alle" planerisch umgesetzt und in großen Abschnitten auch realisiert. Damit stehen diese bezirklichen Planungen auch im Einklang mit dem Anliegen des Bürgerbegehrens.
Mit dem Programm Stadtumbau West wird auch auf Kreuzberger Seite der gleiche Grundsatz verwirklicht. Die Uferpromenade wird hier sogar unter Einsatz hoher finanzieller Mittel in Form von Steganlagen über das Wasser geführt.
2. Dass keine neuen Hochhäuser zwischen Stadtbahn und Köpenicker/
Schlesische Straße gebaut werden können
Auch diese Forderung, verbunden mit der Orientierung an die Berliner Traufhöhe, lehnen die Fraktionen aus zwei Gründen ebenfalls ab:
Zum einen, weil die starre Orientierung an der Berliner Traufhöhe als historische entstandenes Reglement für uns kein städtebaulicher Maßstab sein kann.
Zum anderen, weil auf Grund der rechtskräftigen Planungen erhebliche Schadensersatzforderungen auf den Bezirk zukommen würden.
Die Höhe von Gebäuden soll sich nach unserer Auffassung am Bestand des jeweiligen Gebiets orientieren. Grundsätze dafür sind in den Leitbildern für den Spreeraum fixiert. Dies führte dazu, dass keine Hochhäuser im Kreuzberger Spreeraum geplant wurden.
Wir vertreten die Auffassung, dass es städtebaulich durchaus vertretbar ist, den Spreeraum an einzelnen Stellen mit Hochhäusern zu markieren. Allerdings sind wir auch der Meinung, dass ein Hochhaus (East Side Tower) zwischen den beiden Parks an der Spree störend wirkt. Einer diesbezüglichen Verhandlung mit den Eigentümern stimmen die Fraktionen ausdrücklich zu, ergebnisoffen und bei Beibehaltung des Grundsatzes: keine Finanzierungsrisiken für den Bezirkshaushalt.
3. Darauf hinzuwirken, dass im Bezirk statt einer Straßenbrücke nur ein Rad/Fußgängersteg über die Spree gebaut wird.
Mit den Beschlüssen der BVV
DS 406-1/III - Ausweisung der Brommybrücke in der BEP - und
DS 664/III - Neue Brückenverbindung über die Spree (II)
hat die BVV ihren Standpunkt zur Notwendigkeit weiterer Brückenverbindungen über die Spree beschlossen. Sie dokumentieren, dass Fußgänger, Radfahrer und der ÖPNV Priorität besitzen. Die Führung des ÖPNV über eine Brücke entspricht dem Anspruch an die Mobilität der Bevölkerungsgruppen, die über kein Kfz verfügen oder aus anderen Gründen auf den ÖPNV angewiesen sind. Außerdem entspricht die gegenwärtige ÖPNV-Verbindung zwischen den Ortsteilen Friedrichshain und Kreuzberg (Buslinie 140) nicht mehr den gestiegenen Erfordernissen.
Das Bezirksamt wurde beauftragt sich dafür einzusetzen, dass eine Brückenverbindung, der so genannte Brommysteg, mit zusätzlichen Finanzmitteln aus dem Programm "Stadtumbau West - Kreuzberger Spreeufer" errichtet wird.
Resümee
Die Fraktionen bringen zum Ausdruck, dass sie die vom Bezirksamt ermittelte Summe möglicher Schadensersatzforderungen in Höhe von bisher geschätzten 153,4 Mio. Euro als begründet betrachten.
Weder diese Summe, noch die von der Initiative aufgeführte geringere Summe in Höhe von 51 Mio. Euro sind vom Bezirk ohne dramatische Auswirkungen auf die soziale Lage seiner Bürgerinnen und Bürger zu zahlen.
Eine Finanzierung von Grundstückseigentümern mit Steuergeldern in Form von Entschädigungen lehnen die Fraktionen ab.
Weiterhin stellen wir fest, dass die Aufhebung der Planungen die Entwicklung des gesamten Spreeraums um viele Jahre zurückwerfen würde
Parkanlagen, Uferpromenade, Arbeitsplatzentwicklung und Gewerbeentwicklung
sind das Ergebnis der bisherigen Planungen und diese würden zur Disposition stehen.
Verhandlungsgegenstände
Ausgehend von der gegenwärtigen Situation sind sich die Fraktionen darüber einig, dass es jedoch geboten ist über einzelne Entwicklungen zu sprechen um andere Lösungen als bisher fixiert zu finden. Wir machen deshalb den Initiatoren folgende Angebote:
- 1.Im Rahmen der weiteren Bebauung auf dem Osthafengelände wird die vorgesehene Hochhausbebauung nicht zugelassen, sondern auf eine nach §34 BauGB zulässige Kubatur zurückgenommen.
- 2.Mit dem Eigentümer des Grundstücks Köpenicker Str. 2129 (B-Plangebiet VI-77-1)
wird mit dem Ziel verhandelt, sein Konzept dahingehend zu ändern, dass damit eine größere öffentliche Grünfläche (evtl. als Pocketpark) geschaffen wird.
- 3.Das städtebauliche Konzept zur Entwicklung der Lohmühleninsel wird zugunsten einer großen Freifläche entlang des Ufers entwickelt.
- 4.Mit den Eigentümern, die im Regionalmanagement media spree Mitglied sind, wird bezüglich Konzeptänderungen zugunsten weiterer Freiflächen am Spreeufer verhandelt.
- 5.Im Rahmen der "Spreewerkstatt" werden Gespräche weiterhin durchgeführt zwischen Grundstückseigentümern, Zwischennutzern, Bezirksamt und Vertretern der Fraktionen mit dem Ziel, Zwischennutzungen zu ermöglichen bzw. in die Planungen zu integrieren.
Berlin, den 07.05.2008